Verkehrschaos im Kiez: Lieferfahrzeuge in zweiter Reihe, auf Radwegen, vor Schulen und Kitas. Alltag für viele Berlinerinnen und Berliner. Fußgänger, Radfahrer, Autos und öffentliche Verkehrsmittel ringen um ihren Platz im Straßenraum. Der zunehmende Lieferverkehr durch ein stetig wachsendes Paketaufkommen belastet die Kieze zusätzlich. Mehr als 3,52 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen wurden im Jahr 2018 in Deutschland verschickt, davon allein 130 Millionen in Berlin. Eine Herausforderung für die Stadt: „Der Verkehr ist vitaler Bestandteil jeder Kommune, insbesondere der Wirtschaftsverkehr – und wenn wir den nicht gemanagt bekommen, dann kann so eine große Stadt wie Berlin einfach nicht funktionieren“, sagt Dr. Julius Menge, zuständig für strategische Fragen des Wirtschaftsverkehrs im Land Berlin. Dabei strapaziert der Verkehr nicht nur die Nerven von Bürgerinnen und Bürgern, sondern schmälert auch die Luftqualität und CO2-Bilanz in Innenstädten.
Modellprojekt mit Vorbildcharakter
Eine klimafreundliche Antwort darauf ist das Modellprojekt KoMoDo, das im Rahmen des Förderaufrufs „Klimaschutz durch Radverkehr“ mit 400.000 Euro über die NKI des Bundesumweltministeriums gefördert und auf die Beine gestellt wurde. Dank innenstadtnaher Mikro-Depots, von denen aus Paketdienstleister ihre Sendungen von den großen Lieferfahrzeugen effizient aufs Lastenrad verteilen können, kann der Kiez zur Ruhe kommen. KoMoDo: Einfach und effizient Hinter diesem einfachen aber effizienten Konzept steht der lange Name „Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die KEP-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“ – kurz: KoMoDo.
„Bei KoMoDo geht es darum, Sendungen auf der letzten Meile emissionsfrei zuzustellen. Kurierdienste liefern morgens die Pakete an einem innenstadtnahen Mikro-Depot an, von wo aus sie anschließend per Lastenrad an die Kundinnen und Kunden ausgeliefert werden“, erklärt Dag Rüdiger, stellvertretender Projektleiter der LogisticNetwork Consultants GmbH. Das Beratungsunternehmen für die Logistik- und Mobilitätswirtschaft hat das Modellprojekt initiiert und in allen Phasen koordiniert – die Förderung über die NKI hat die Umsetzung möglich gemacht. Unterstützt wurde das Modellvorhaben vom Land Berlin, das als assoziierter Partner fungiert hat. "Unser Ziel als Land ist es, den Verkehr sicherer und leiser zu machen und stadtverträglicher zu gestalten. Wir wollen den motorisierten Wirtschaftsverkehr aus den engen Kiezen herausrausbekommen", so Dr. Julius Menge.
Dreh- und Angelpunkt des Projektes ist Berlin-Prenzlauer Berg. Dort hat die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) eine Logistikfläche mit sieben Seecontainern zur Verfügung gestellt. Jeder dieser Container bildet ein sogenanntes Mikro-Depot, das von den jeweiligen Paketdienstleistern individuell genutzt und in die firmeneigene Tourenplanung integriert wird. In den frühen Morgenstunden erreichen die ersten Paketlieferungen aus den großen Umschlagplätzen des Berliner Umlandes die Container. Ab hier übernehmen die Fahrradkuriere und stellen die Sendungen im näheren Umkreis per Lastenrad zu.
Gerade in dichtbesiedelten Stadtteilen mit engen Straßen und vielen Stopps ist das Lastenrad die bessere Alternative. „Wir sind flexibler, mobiler und viel schneller vor Ort“, bringt es Fahrradkurier Tobias Jahn auf den Punkt. Während sperrige Lieferfahrzeuge noch einen Parkplatz suchen, klingelt Tobias Jahn bereits an der nächsten Tür.
Eine Kooperation unter Wettbewerbern
Insgesamt hatte das Projekt eine dreijährige Vorbereitungszeit. Die größten Paketdienstleister an einen Tisch zu bringen und Wettbewerber für ein einheitliches System auf einer gemeinsamen Fläche zu begeistern, entpuppte sich als ehrgeiziges Ziel. Eine Schlüsselrolle fiel dabei der BEHALA als kommunales Unternehmen zu. Als neutraler Betreiber konnte sie die Gleichstellung aller Unternehmen auf der Logistikfläche gewährleisten. Auch die einschlägigen Verbände der Kurier-, Express- und Paketdienste – kurz KEP – konnten involviert werden. „Erstmals arbeitet die gesamte Branche gemeinsam an solch einem Projekt und kann somit auch übertragbare Ergebnisse produzieren und diskutieren“, fasst Dag Rüdiger zusammen.
Im Januar 2018 fiel schließlich der Startschuss für KoMoDo. Während der einjährigen Projektlaufzeit konnten rund 160.000 Sendungen mit dem Lastenrad ausgeliefert und dadurch 28.000 Fahrzeugkilometer herkömmlicher Lieferfahrzeuge eingespart werden. Eine Strecke, so weit wie von Berlin bis Australien und zurück. Elf Tonnen CO2 konnten so eingespart werden: Gut fürs Klima und die Lebensqualität im Kiez.