Warten auf die große Pause, warten auf das Ende der letzten Stunde – und dann noch warten auf den Schulbus nach Hause. Für viele Schüler*innen in ländlichen Regionen erfordert der Heimweg viel Geduld. Auf dem direkten Weg geht es mit dem öffentlichen Nahverkehr eher selten in die Freizeit.
Das war auch in den Landkreisen Nordwestmecklenburg und Herzogtum Lauenburg lange Zeit so – bis man sich entschloss, die Schüler*innen künftig schnell und ohne unnötige Umwege nach Hause zu bringen – und dabei einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Geburtsstunde des Projekts „MintesO“. „MintesO“ steht für „Minderung der Treibhausgas-Emissionen der Schülerbeförderung durch intelligente Systeme zur Fahrweg- sowie Fahrweise-Optimierung“.
Schülerbeförderung digitalisieren und optimieren
Die besonderen Herausforderungen beim Schülerverkehr erklärt Andrew Yomi, Verkehrsplaner im Kreis Herzogtum Lauenburg: „Wir haben relativ viele Schüler, die tagtäglich mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren – doch die Nachfrage ist durch das komplexe Schulsystem nicht gleichmäßig. Jeder Tag ist unterschiedlich – das in einheitlichen Fahrplänen abzubilden, relativ schwierig.“ Yomi trägt nicht nur der Verantwortung dafür, dass über 8.000 Schüler *innen zur Schule und wieder nach Hause kommen, er kennt das Projekt auch bis ins Detail. „Es geht uns um die Optimierung der Schülerbeförderung, um jeden Tag aufs Neue so zu fahren, wie es die Schüler*innen tatsächlich benötigen.“
Dafür werden alle Schüler*innen mit Chipkarten mit einer individuellen ID ausgestattet. Beim Einstieg wird diese gescannt und einem Hintergrundsystem übergeben – welches wiederum datenschutzkonform die relevanten Infos zum Fahrtenwunsch zurückspielt. „Wir fahren dann nur die Haltestellen an, die tatsächlich benötigt werden.“, berichtet Yomi.
Für das Vorhaben werden die Busse mit modernster Technik ausgestattet. Zum „intelligenten Bus“ wird das Fahrzeug durch ein zentrales IT-Hintergrundsystem. Nach Erfassung der einzelnen Fahrziele errechnet das Programm die optimale Route. Die Busfahrer*innen wissen nun, welche Schüler*innen sie wohin bringen und welche Strecke sie dafür nehmen müssen.
„Strecken, auf denen die Busse keinen einzigen Fahrgast haben, werden auf ein notwendiges Minimum reduziert und damit CO2 eingespart“, sagt Christoph Mager, Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg. Gerade in ländlichen Räumen können so etliche Fahrplankilometer vermieden werden.
Klimaschutz über Landkreisgrenzen hinweg
„Das Projekt verbindet Klimaschutz mit vielen Vorteilen für unsere Schüler“, fasst Kerstin Weiss zusammen. Sie ist Landrätin des Landkreises Nordwestmecklenburg. Das Erfolgsrezept: „Wir arbeiten sehr eng mit unserem Nachbarlandkreis zusammen.“ Ähnliche Strukturen – ein Mittelzentrum und viele Dörfer und entlegene Gebiete – stellen beide Regionen bei der Organisation des ÖPNV vor die gleiche Herausforderung. Eine gemeinsame Lösung macht Sinn.
Noch befindet sich das Projekt in einer Pilotphase. Richtig losgehen soll es voraussichtlich im Februar 2021. Als nächstes wird die Flotte technisch umgerüstet und alle Schüler*innen erhalten Chipkarten. Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf rund 2,5 Millionen Euro – das Bundesumweltministerium fördert das Projekt aus Mitteln der NKI mit 90 Prozent.
Doch neben der finanziellen Unterstützung, ohne die es das Projekt nicht geben würde, kommt es für Andrew Yomi noch auf etwas anderes an: „Man braucht kreative Köpfe, die Ideen haben, wie man Dinge vorantreiben kann.“ Dem pflichtet auch Kerstin Weiss bei und betont: „So ein Projekt ist nichts für Einzelkämpfer. Da braucht man schon ein gutes Team – auch über die Kreisgrenzen hinweg.“
ÖPNV kundenfreundlich und ressourcenschonend gestalten
Für Landrat Christoph Mager kann diese kreis- und sogar länderübergreifende Kooperation Vorbild für andere sein. „Wir zeigen hier, wie man als ländlich geprägter Kreis den ÖPNV kundenfreundlich und ressourcenschonend gestalten kann.“ Er und seine Kollegen seien immer gerne für Auskünfte bereit, wenn jemand ihnen nacheifern möchte.
Einer dieser Kollegen ist Tino Waldraff, verantwortlich für den Busverkehr im Landkreis Nordwestmecklenburg. Als Vater von zwei Kindern hat er auch ein persönliches Interesse an MintesO: „Ich möchte auch nicht, dass meine Kinder unnütz im Bus sitzen, wenn der Bus ein Dorf anfährt, wo kein Kind ein- oder aussteigt.“ Man habe die große Chance, den Kindern durch das Projekt mehr Freizeit zu schenken. „Umweltschutz meets Freizeit der Kinder – besser geht's nicht.“